„Was wäre ein Leben ohne Abenteuer? Schlicht und einfach langweilig“. Dieser Meinung sind zumindest wir. Wir, das sind Franky, Stephan und Thomas…drei Jungs aus der Oberpfalz. Und aus diesem Grund fuhren wir sechs Wochen und mehr als 1.000 Kilometer durch Peru – nicht aber etwa in einem Auto, sondern mit dem Longboard. Unser(e) Ziel(e): Die peruanische Stadt Arequipa und die Köpfe voller unvergesslicher Erlebnisse.
Auf zu neuen Herausforderungen
Im Laufe seines Lebens begibt man sich ja zwangsläufig auf das eine oder andere Abenteuer, sei es die erste eigene Wohnung oder der erste große Urlaub ohne Mami und Papi. Wenn man allerdings wie wir vor allem über Letzteres schon sehr weit hinaus ist, wird es immer schwerer, neue Herausforderungen im Leben zu finden, die einen dieses damals empfundene Gefühl von überschwänglicher Freiheit erneut spüren lassen. Herausforderungen, die einem sowohl geistig als auch körperlich alles abverlangen.
Und genau so eine Herausforderung beginnt jetzt: Wir haben uns dazu entschlossen, diesen Sommer von Ende Juli bis Anfang September mit unseren Longboards ins wunderschöne Peru zu fliegen, um dort die über 1.000 km lange Strecke von Lima bis nach Arequipa zu bezwingen. Wir wollen Land und Leute, neue Kulturen und natürlich neue Abenteuer erleben. Wir sind keine Spitzensportler mit jahrelanger Erfahrung in Sachen Langstrecken-Longboarding. Wir sind drei normale Studenten aus kleinen Dörfern in der Oberpfalz, die sich wieder nach einem Abenteuer sehnen.
Eine Reise will gut geplant sein
In den vergangenen acht Monaten waren wir mit den Vorbereitungen beschäftigt. Ausgehend von der eigentlichen Schnapsidee in unserem Lieblingslokal bis hin zum konkreten Wunsch, diese tatsächlich umzusetzen. Nach dem Kauf der Flugtickets im Mai dieses Jahres gab es dann kein Zurück mehr. In der darauffolgenden Zeit kümmerten wir uns verstärkt um die Ausrüstungsbeschaffung, ESTA-Anträge, Impfungen sowie die grobe Planung der Route in Peru.
An dieser Stelle wollen wir uns noch einmal bei der Firma Tatonka für deren Unterstützung, in Form von drei nagelneuen Yukon 60 Rucksäcken bedanken. Diese werden uns in den kommenden sechs Wochen mit Sicherheit gute Dienste leisten.
In dieser Zeit werden wir uns auf zwei wesentliche Dinge konzentrieren: unsere Longboards und die peruanische Straße. Für die Route steht eine grobe Planung fest. Auch der Rückflugtermin nach Deutschland ist bereits gebucht. Für den restlichen Teil der Reise haben wir jedoch bewusst darauf verzichtet, einen konkreten Zeitplan festzulegen. Gebuchte Hotelzimmer, gebuchte Touren und auch 08/15 Touristenattraktionen haben keinen Platz gefunden. Nur ohne Zeitdruck ist es unserer Meinung nach möglich, ein fremdes Land in vollen Zügen zu genießen.
Solltest du (lieber Leser) dich auch als Reisender und nicht als Tourist sehen und nun Lust bekommen haben, uns auf unserer Reise zu begleiten, so laden wir dich recht herzlich dazu ein.
Die Longboard-Crew ist unterwegs – das Abenteuer beginnt!
Nach mehreren Wochen Vorbereitung ist der Moment tatsächlich gekommen: Wir befinden uns in Punta Hermosa, eine kleinen Vorort von Lima. Der Taxifahrer, welcher uns bis hierher gebracht hat, lässt uns verdutzt aussteigen und vergewissert sich zum dritten Mal über unser Vorhaben. „Nur mit diesen Dingern auf der Panamericana nach Arequipa?” Nach erneuter Bestätigung, jedoch weiterhin ungläubig, überlässt er uns schließlich unserem Schicksal. Zum ersten Mal tragen wir unsere ca. 20 Kilo schweren Rucksäcke auf dem Rücken. Mit unseren Brettern in der Hand betrachten wir unsere Umgebung. Das Abenteuer beginnt.
Jetzt ist es also soweit, der Moment der Wahrheit ist gekommen. Nach den ersten paar Pushes auf der Straße Richtung Arequipa erfahren wir schon die erste kleine Ernüchterung: Der Belag ist so lala und der Verkehr auf der schmalen Straße extrem nervtötend. Auch das Geräusch, das uns für den Rest der Reise tagein tagaus aus begleiten wird, ist zum ersten Mal zu hören: Hupen Hupen Hupen. Für den Beginn unseres Abenteuers haben wir bewusst darauf verzichtet, auf der Panamericana zu starten, und stattdessen einer Nebenstraße für die ersten zehn Kilometer den Vorrang gewährt.
Die ersten Kilometer auf der Panamericana
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase folgt der Wechsel auf unser Zuhause für die nächsten drei Wochen, die Panamericana. Hier verbessert sich die Qualität des Seitenstreifenbelags erheblich, woraufhin die anfängliche Skepsis der immer größer werdenden Vorfreude weicht. Landschaftlich hat die Umgebung rund um die Schnellstraße leider nicht viel zu bieten, da Plastiktüten und Abfall die sandigen Ausläufer Limas dominieren.
Nach den ersten 50 Kilometern haben wir unser Tagesziel erreicht und wir suchen zum ersten Mal auf unserer Reise einen Schlafplatz für die Nacht. Nach etwas längerer Suche ist ein passender Zeltplatz gefunden, der nicht allzu weit entfernt von der Straße liegt und nicht auf den ersten Blick einsehbar ist. Bis auf die nächtlichen tierischen Besucher in Form von Hunden sowie einem Scheinwerfer, der immer wieder auf unseren Zeltplatz strahlt, verläuft die erste Nacht unter freiem Himmel in Peru vergleichsweise ruhig.
Der Morgen beginnt mit ernüchternden Nachrichten: Die Zelte sind bereits nach nur einer Nacht feucht vom Morgentau. Der Start in den zweiten Tag gestaltet sich schwierig, die grundsätzliche Motivation ist nicht sonderlich hoch, und das Hupen in der Ferne verspricht keine schnelle Besserung. Jedoch hat der Straßengott offensichtlich ein Nachsehen mit uns und beschert uns einen wunderbaren Downhill von zehn Kilometern bis an den Strand.
Begegnungen mit Einheimischen – „crazy Germans“!
In perfekter Kulisse beschließen wir, Frühstück einzunehmen und uns auf die bevorstehende Etappe vorzubereiten. Nach einem längeren Stück erreichen wir ein Beach Resort, welches direkt an der Straße liegt und uns eine Pause abseits von Staub und Müll verspricht. Trotz spanischer Sprache ist der Sicherheitsmann jedoch leider nicht in der Lage unser Anliegen zu verstehen. Dieses Phänomen wird uns auf der kommenden Reise noch des Öfteren Schwierigkeiten bereiten. Die Leute sind von dem ersten Eindruck – drei Gringos auf Holzbrettern auf der Panamericana – derart überrumpelt, dass ein normales Gespräch nicht mehr stattfindet und uns die meisten nur mit offenem Mund anstarren.
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Es bleibt uns also nichts anderes übrig als unsere Reise ohne Verschnaufpause fortzusetzen. In dem nächsten kleineren Örtchen kehren wir schließlich erschöpft in einem Restaurant ein, um uns zu stärken. Leider wird nicht gekocht und wir müssen uns mit Getränken zufrieden geben. Die anfängliche Skepsis der Besitzerin schlägt schnell in Neugierde um und wir sind das „Nummer Eins“-Fotoobjekt in dem Restaurant. Auch in Peru gibt es eitle Frauen. So stellt sich zum Beispiel die Restaurantbesitzern bei unserem Foto auf einen kleinen Stuhl, damit sie größer wirkt als sie tatsächlich ist. Verstehe einer die Frauenwelt.
Wir setzen unsere Reise fort, und nach kurzer Zeit erreichen wir ein weiteres Mal das Meer, und dieses Mal werden wir auch mit den ersten Sonnenstrahlen belohnt. Nach kurzer Zeit treffen wir auf ein peruanisches Surfer-Pärchen, das uns am Seitenstreifen abfängt. Ein nettes Gespräch und mehrere “Crazy Germans”- Rufe später, machen wir uns wieder auf den Weg.
Gefährliche Geschichten und interessante Gespräche
An diesem Tag erreichen wir unseren Schlafplatz für die Nacht nach 70 Kilometern, und wir beziehen unser nächtliches Quartier auf einer Wiese umringt von Schilf. Der perfekte Platz, um ein kleines Lagerfeuer zu entfachen und die Erlebnisse des Tages in dessen angenehmer Wärme Revue passieren zu lassen. Unsere Stimmung steigt, zumindest bis kurz vor dem Schlafengehen, denn hier ereignet sich ein Stimmungskiller: Stephans aufblasbare Luftmatratze hat einen 15 cm langen Schlitz, der sich leider auch nicht mehr flicken lässt, was ihm im Laufe der Reise so einige kurze Nächte bescheren wird.
Unser Frühstück umfasst an diesem Tag Früchte und Inka-Cola für jeden von uns. Der Verkäufer warnt uns, wie viele andere später auch, auf der Route vor möglichen Überfällen.
Offensichtlich wurde erst vor ein paar Wochen ein Kolumbianer ausgeraubt und erschossen. Nach solchen Geschichten stellen wir uns immer wieder die Frage, ob es das alles wert ist, aber wir wollen uns den Trip nicht schwarz reden lassen. Mehrere Up-/Downhills durch eine karge Landschaft prägen den Tag. Wie die Tage zuvor kehren wir auch heute wieder in einem kleinen Straßenverkauf ein. Beim Gespräch mit dem jungen Besitzer erfahren wir mehr über seine eigentliche Arbeit als Schweißer auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik und die recht offensichtlichen Vorzüge, in solch einer Umgebung zu arbeiten. Solche Momente sind es, die für uns das Reisen ausmachen und uns zugleich die vorherigen Horrorgeschichten vergessen lassen.
Nach dem Gespräch machen wir uns weiter auf Richtung Chincha Alta, unserem Tagesziel. Die Panamericana meint es gut mit uns und beschert uns mehrere Downhill-Phasen, bis wir an einem kleinen Restaurant an der Küste ankommen. Auch hier werden wir wie so oft auf der Reise zuerst kritisch beäugt, jedoch nach kurzer Kennenlernphase herzlich aufgenommen. Die Kinder spielen mit den Longboards, die Erwachsenen fragen interessiert nach Details unserer Tour. Wie viele andere geben uns auch die Leute hier nützliche Tipps beziehungsweise beschreiben uns die Straßenverhältnisse bis zu unserem nächsten Ziel. Nach einem kurzen Anstieg erreichen wir letztendlich unser Ziel, die Hauptstadt der Provinz Chincha.
Es rollt und hupt
Die letzten 60 Kilometer von Chincha Alta nach Ica beginnen am darauffolgenden Tag mit Sonnenstrahlen und viel Verkehr. Allerdings steht uns ab hier die bisher vierspurige Panamericana nur noch zweispurig zur Verfügung, was unser Unterfangen um einiges schwieriger und vor allem gefährlicher gestaltet. Nichtsdestotrotz treffen wir immer mehr Leute die uns entweder am Straßenrand oder auch aus Fahrzeugen heraus mit Daumen hoch, Hupen, breitem Grinsen und Sprüchen wie “Gringos locos” motivieren und uns immer wieder aufs Neue anspornen. Beim Ausweichen auf den mittlerweile nur noch aus Sand bestehenden Seitenstreifen kommt es zum ersten kleineren Unfall der Reise, bei dem sich Stephan den Arm aufschürft. Die Verkleinerung der Schnellstraße hat zum Glück keine Auswirkung auf den guten Belag, und so schaffen wir ohne weitere große Vorkommnisse unser Tagesziel.
Bei der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz einigen wir uns auf eine kleine freie Fläche abseits der Straße neben einer vermeintlichen Fruchtplantage. Der ruhige Schlafplatz wird sich später jedoch als das bisher größte Abenteuer unserer Tour herausstellen…
Nächtliche Schüsse auf der Fruchtplantage
Gegen 18.30 Uhr erkennen wir in der Ferne das Licht eines Motorrads, welches auch gleich zielgenau 20 Meter vor uns halt macht und uns extrem blendet. Nach kurzer Beratung entscheiden wir uns, den Motorradfahrer anzusprechen, allerdings sucht der kurz darauf das Weite. Etwas perplex begeben wir uns wieder zurück zum Zeltplatz, und es scheint alles ruhig zu sein. Eine halbe Stunde später bekommen wir aber erneut Besuch, diesmal von zwei Motorrädern. Nachdem einer der Unbekannten abgestiegen ist, folgen zwei Schüsse aus einer Pumpgun, woraufhin wir vor lauter Angst Zigaretten und Zahnbürsten zu Boden fallen lassen. Es sind Stimmen zu hören, jedoch hat der Schreck uns allen die Sprache verschlagen.
Die komplette Szene hat nicht lange gedauert, aber uns kam es wie eine Ewigkeit vor. Zum Glück klärt sich kurz darauf die Situation auf, als sich die näher kommende Person als Polizist identifiziert. Der erste Motorradfahrer war ein Sicherheitsmitarbeiter der Fruchtplantage, welcher uns bei seiner Patrouille angetroffen hat und daraufhin die Polizei verständigte. Fruchtplantagen in Peru werden sehr stark bewacht, weil diese oftmals die einzige finanzielle Einnahmequelle der Region darstellen. Nach einem kurzen Gespräch mit dem sehr freundlichen Polizisten können wir mit großer Erleichterung unser Nachtquartier beziehen. Zuvor macht er allerdings noch Fotos von uns, damit auch die späteren Schichten des Sicherheitsdienstes von unserer Präsenz informiert sind, und schnorrt sich zwei Zigaretten von Franky, der ihm zwar etwas verdutzt, hauptsächlich aber erleichtert seine letzten Kippen überlässt.
Nach einer ruhigen Nacht und der Gewissheit, den wohl sichersten Schlafplatz in ganz Peru ergattert zu haben, folgen die letzten Kilometer bis nach Ica. Durch die Erfahrungen der letzten Tage hat sich auch schon so etwas wie Routine breitgemacht: Am Morgen wird bei einem kleinen Kiosk gefrühstückt, dann wird gefahren, bis ein passendes Restaurant gefunden ist, danach werden die letzten Kilometer bis zum Tagesziel gefahren, der Zeltplatz gesucht und die Erlebnisse des Tages verarbeitet.
Eine kurzweilige Taxifahrt
Diese Routine begleitet uns bis zur Ankunft in Ica, wo wir von einem Taxifahrer zu unserem Hostel gefahren werden. Während der Fahrt kristallisiert sich heraus, dass unser Fahrer offensichtlich in seinem ganzen Leben noch keinen weißen Fahrgast hatte. Bei jeder Gelegenheit erzählt er den umliegenden Verkehrsteilnehmern von uns und unserer verrückten Idee. Hierbei zeigt sich übrigens auch, dass er keine Ahnung hat, wo unser Hostel liegt, was uns bestimmt 20 unterhaltsame Minuten zusätzlich mit ihm beschert.
Zum Glück spricht man in Peru den Preis für ein Taxi vor der Fahrt mit dem Fahrer ab. Nach der Ankunft im Hostel, welches sich übrigens direkt über einem Casino befindet, hat unser Navigator Nummer Eins noch schlechte Nachrichten für uns: Die Strecke zu unserem nächsten Zielort Nazca soll sehr steil werden. Das wollen wir doch erstmal sehen …
Steiler Anstieg und extremer Gegenwind
Nach einer erholsamen Nacht im Hostel geht es also wieder auf die Straße Richtung Nazca. Der angedrohte starke Anstieg lässt zum Glück auf sich warten, und wir können die Fahrt vorbei an grünen Plantagen mit wenig Verkehr genießen. Aus dem langsamen Anstieg entwickelt sich aber leider sehr schnell ein extremer Anstieg. Hatte unser Taxifahrer doch tatsächlich recht! Die anstrengenden Straßenverhältnisse, gepaart mit dem aufgekommenen Gegenwind, sind sehr zermürbend, und so wird uns auch ziemlich schnell eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Wir lehnen jedoch eisern dankend ab und erreichen nach kurzer Zeit den Gipfel mit anschließendem Plateau. Der dauernde Anstieg hat seinen Dienst getan und wir entschließen uns dazu, das Quartier für die Nacht zu suchen.
Am darauffolgenden Morgen gleich die nächste Ernüchterung: Thomas‘ Trinkblase ist zur Hälfte ausgelaufen. Ein perfekter Start in den Tag. Der bereits am Vortag starke Gegenwind hat sich auch über die Nacht nicht beruhigt und sorgt damit für weitere schlechte Laune. Nach nur vier Kilometern müssen wir die erste Kaffeepause mit stilechter Weihnachtstasse einlegen. Im Hochsommer.
Herausforderungen wie im Action-Film
Die schwindenden Essensrationen sorgen dafür, dass wir uns immer mehr auf das Essen in der Heimat freuen. Der Gegenwind legt sich zum Glück langsam, und nach mehreren Kilometern, welche standesgemäß mit Hupkonzert begleitet werden, erreichen wir das erste kleinere Dorf nach zwei Tagen. Hier wird uns abgeraten, die eigentlich geplante Route zu nehmen, da diese angeblich in schlechtem Zustand und dadurch sehr gefährlich ist. Abenteuerlustig wie wir sind, entscheiden wir uns natürlich dafür, genau diese Route zu nehmen, und wir sollen nicht enttäuscht werden, wobei uns die Kreuzzeichen der vorbeifahrenden Einheimischen anfangs doch etwas einschüchtern.
Die Straße macht ihrem gefürchteten Ruf alle Ehre und stellt zusammen mit dem darauffolgenden Abschnitt eine der größten Herausforderungen der Tour dar. Nachdem wir nämlich den vermeintlich schlimmsten Teil in Form von schlechtem Belag, nicht einsehbaren Kurven und Gegenverkehr hinter uns lassen, werden wir vom ersten Sandsturm der Reise in Empfang genommen. Gepaart mit Sand und Müll pfeift uns der unnormal starke Wind ins Gesicht und verwandelt den Uphill in einen Alptraum. Mehrere Male schießt uns das Mad Max-Setting durch den Kopf und lässt uns das ein oder andere Mal beim Hupen der Autos paranoid zusammenzucken. Nach etwa zweieinhalb Stunden Marsch werden wir Gott sei Dank erlöst und können uns unseren Schlafplatz für die Nacht suchen, der überraschend windstill und ruhig ist.
Zwei Tage Pampa und Wüstenpanorama werden am dritten Tag nun zum Glück durch grüne Anbauflächen getauscht. Uns erwarten schöne Up-/Downhillpassagen mit gutem Asphalt. Leider hält dieser Zustand nur bis zur Mittagspause. Danach befinden wir uns auf einer Geraden nach Nazca entlang dem Plateau der Nazca-Linien, die gefühlt kein Ende mehr zu nehmen scheint. Nach stundenlangem Quälen kommen wir vollkommen erschöpft in Nazca an und freuen uns auf die erste längere Pause, denn wir haben nun die Hälfte der Tour hinter uns. Die nächsten drei Tage verbringen wir mit dem Flug über die Nazca-Linien, einer Sandbuggytour und dem Erkunden von Nazca
Zurück auf die Straße
Nach der Erholungsphase zieht es uns nach drei Tagen wieder auf die Straße. Von
Nazca machen wir uns auf in Richtung Küste, wo uns jedoch gleich zu Beginn erneut starker Gegenwind das Longboarden so gut wie unmöglich macht. Die klimatischen Bedingungen und die triste Natur machen uns ebenfalls schwer zu schaffen. Jetzt heißt es durchbeißen und auf besseres Wetter hoffen.
Das Tagesziel von 50 Kilometern erreichen wir spät am Abend und versuchen, es uns auf unserem nassen Zeltplatz unweit der Straße so gemütlich wie möglich zu machen. Die kalte Nacht in der Wüste und die morgendliche Erkenntnis, dass sich die schlechten Bedingungen nicht gebessert haben, lassen die Motivation aber sofort weiter sinken. Mittlerweile ist an Longboarden gar nicht mehr zu denken, da der extrem starke Gegenwind jegliche Bemühungen sinnlos macht und gepaart mit dem zweiten (noch schlimmeren) Sandsturm der Tour wiederum Erinnerungen an Mad Max hochkochen lässt. Wir machen uns zu Fuß auf den weiteren Weg, und die ersten Gedanken zu Trampen kommen auf. Nach einem Fußmarsch von 15 Kilometern durch Sandstürme ist aus dem ersten Gedanken ein konkreter Entschluss geworden. Auf ein altes Blatt Papier schreiben wir den Stadtnamen Jahuay, welche laut Karte etwa auf Dreiviertel der Strecke nach Puerto Lomas liegt.
Zu Fuß durch die Wüste
Schon nach kurzer Zeit keimt erste Hoffnung auf, als ein kleiner Transporter am Straßenrand anhält. Die Euphorie ist jedoch schnell wieder verflogen, da uns der Fahrer außer mit aufmunternden Worten und drei Orangen nicht weiterhelfen kann. Aber immerhin. Die immer wieder aufkommenden Sandstürme setzen uns schwer zu, und jegliche psychische und physische Vorräte sind aufgebraucht. Zu diesem Zeitpunkt unserer Tour funktionieren wir nur noch.
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Nach weiteren 50 Kilometern zu Fuß durch die Wüste erreichen wir das erste kleinere Städtchen, wo wir auch prompt von einem Fernfahrer angesprochen werden, der uns anbietet, uns bis nach Arequipa mitzunehmen, was wir aber erneut eisern ablehnen. Unser anfänglicher Gedanke, dass wir uns in der Stadt Jahuay befinden, wird in dem Restaurant, in dem wir einkehren, aufgeklärt: Die erreichte Stadt ist nicht wie vermutet Jahuay, sondern bereits Puerto Lomas an der Küste. Wir sind also 65 Kilometer durch die Wüste gestampft mit dem Schild einer Stadt auf dem Rucksack, an der wir schon längst vorbei gegangen sind. Unweigerlich müssen wir an unseren Taxifahrer aus Ica denken. Hat sein Sinn für Orientierung abgefärbt?
Planänderung aufgrund der Wetterverhältnisse
Wie sich im weiteren Gespräch mit dem jungen Besitzer des Restaurants herausstellt, sind die besonders schlechten klimatischen Verhältnisse dieses Jahr eine Folge des Klimaphänomens El Niño. Dieser sorgt für extreme Gegenwinde an der kompletten Küste von Peru, so dass wir später auch entscheiden, die ursprünglich geplante Route erst in Camaná fortzusetzen, da ab hier der Gegenwind wieder abnehmen soll.
Auf der Busfahrt dorthin wird uns immer deutlicher, dass eine Longboardtour auf dieser
Strecke nicht machbar gewesen wäre. Es herrscht extremer Wind, schlechte Straßenverhältnisse, sehr viel Verkehr und unmögliche Up-/Downhillpassagen.
Up- und Downhills im Landesinneren
Wie von den Einheimischen beschrieben, hat sich das Wetter tatsächlich gebessert, und es ist das erste Mal nach vier Tagen, dass wir wieder einigermaßen in der Lage sind zu Longboarden. Nach kurzer Strecke an der Pazifikküste ist es dann auch schon so weit: Die Reise führt uns auf die letzte Etappe ins Landesinnere von Peru. Unsere bisherigen Gegenspieler waren starker Wind sowie immer wieder entstehende Sandstürme. Jetzt müssen wir uns mit einem Höhenunterschied von 2.400 Meter und auftretendem Nebel / Regen auseinandersetzten. Warum machen wir diese Tour noch mal?
Nach 1.000 Metern Höhenunterschied erreichen wir ein Plateau mit sehr starkem Nebel, der unsere Sicht auf unter 50 Meter verringert. Die bisherigen Anstrengungen werden plötzlich mit zwei wunderbaren Downhills belohnt, die wir logischerweise nicht kommen sehen. Das Plateau zieht sich weitere zehn Kilometer immer geradeaus, wobei der Belag der Straße mittlerweile immer öfter zu wünschen übrig lässt. Auf dieser Geraden ereignet sich auch der zweite und letzte Sturz unserer Reise. Eine kleine Unachtsamkeit sorgt dafür, dass Thomas samt Rucksack zu Boden geht und sich dabei kleinere Schürfwunden zuzieht.
Notgedrungen legen wir deshalb eine größere Pause bei einem kleinen Kiosk ein. Der Besitzer hat nach eigenen Angaben noch nie wirklich eine weiße Person getroffen, abgesehen von denen, die tagtäglich vorbeifahren, aber nie aussteigen. Anhaltende Einheimische schenken uns eine Avocado, reden mit uns, und wir treffen überraschenderweise immer wieder Leute, die bereits von uns gehört haben. Beim Verlassen des Kiosks wird Stephan noch aufgefordert, auf dem Fußballtrikot eines peruanischen Vereins des Besitzers zu unterschreiben. Verrücktes Peru.
Die Sonne hat nun bereits den anfänglichen Nebel und Regen verdrängt, und nach kurzer Zeit erreichen wir Majes, einen der letzten Pit-Stopps unseres Trips circa 40 Kilometer vor Arequipa.
Der darauffolgende Tag beginnt mit dem Erreichen einer eindrucksvollen Schlucht. Zuerst sehr langer Downhill, gefolgt von identischem Uphill.
Die letzten Kilometer
Auch die Mitfahrgelegenheiten häufen sich. Neben normalen Auto- und LKW-Fahrern bietet uns auch mehrere Male die peruanische Polizei eine Mitfahrgelegenheit im Pickup an, die wir jedoch erneut dankend ablehnen. Überschwängliche Euphorie stellt sich ein, da wir uns auf den letzten Kilometern der Tour befinden. Gestärkt wird diese Euphorie immer wieder durch die unglaubliche Offenheit und Gastfreundschaft der einheimischen Bevölkerung. So wird uns zum Beispiel mit den Worten “Ihr seht hungrig aus” ein komplettes Essen geschenkt, was uns die Begeisterung der Menschen immer wieder aufs Neue spüren lässt. Wir werden die letzten Male fotografiert, und vor allem kleine Kinder sind immer noch sehr interessiert an unseren Longboards.
Nachdem sich nun die letzten zehn Kilometer durch permanentes Up and Down noch etwas hinziehen, erreichten wir dennoch am Samstag, dem 22. August 2015, unser Ziel. 732 Kilometer und 20 Tage auf der peruanischen Straße haben uns auf diesen Moment hinfiebern lassen, in dem wir die erlösenden Worte “Bienvenidos a Arequipa” auf einem wesentlich unspektakuläreren Schild als in unserer Vorstellung lesen können.
Als Abschluss können wir ehrlich gesagt nur schwer die passenden Worte finden. Zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Bericht entsteht, kann noch keiner von uns das, was jetzt hinter uns liegt, so wirklich fassen. All die Dinge, die passiert sind, mit welchen Widrigkeiten wir zu kämpfen hatten, wie viele Leute wir kennengelernt haben und was für unglaublichen Landschaften und Szenen wir ab jetzt in unserer Erinnerung unser Eigen nennen dürfen.
“Longboard” Crew goes …?
Etwas, dessen wir uns schon am ersten Tag sicher waren, ist die Tatsache, dass wir diese Reise ohne die Hilfe von Tatonka in Form von drei Rucksäcken wahrscheinlich nicht bewältigen hätten können. Keiner von uns besaß im Vorfeld einen nur annähernd für diese extreme Belastung geeigneten Rucksack. Hätte uns Tatonka daher nicht unterstützt, so wären wir höchstwahrscheinlich aufgrund unserer begrenzten finanziellen Möglichkeiten mit Billigstrucksäcken losgezogen, die uns in der ersten Woche in unsere Schranken gewiesen hätten. Die drei Yukon-Rucksäcke taten mehr als ihren Dienst und dienten uns tagein tagaus als treue Begleiter, die nicht nur praktisch, sondern auch trotz der 20 Kilo unwahrscheinlich angenehm zu tragen waren.
Weitere Impressionen der Tatonka Longboard-Crew: